30.1.13

Omis Lieblingsbeschäftigung

Wir sind stolz auf unsere Omi. Als junge Kriegswitwe absolviert sie eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin (MTA) und arbeitet sich hoch bis zur Leiterin des Labors des größten Krankenhauses der Stadt.

Sie liebt den Kontakt zu den Patienten, vor allem aber die – damals noch manuelle – Auswertung der Blutwerte*. Mit dem Mikroskop zählt sie die Thrombozyten, Erythrozyten und „Leukos“ aus und informiert die behandelnden Ärzte.

In Omis Labor sieht es immer „wie geleckt“ aus, wie sie selbst sagt. Ein oder zwei Mäuse, ausrangiert von der medizinischen Forschung, leisten ihr und ihren Mitarbeiterinnen in den Spät- und Nachtschichten Gesellschaft. Und ein großes Bonbon-Glas in der Nähe des Fensters ist immer randvoll mit leckeren Süßigkeiten gefüllt.

Soweit, so gut. Doch Omis Untersuchungsdrang macht leider auch vor den eigenen Enkeln nicht halt. Von Zeit zu Zeit geht’s zu Omi ins Labor. Vor dem Pieks in den Finger haben wir furchtbare Angst. Danach die große Erkenntnis: Wie immer alles in bester Ordnung.

Auch um die Unversehrtheit unserer Zähne macht sich Omi Sorgen. Und so sammelt sie Süßigkeiten ein, noch bevor wir sie in Sicherheit bringen können. „Fürs Labor“, sagt sie dann.

Wenn wir Glück haben, können wir mit ihr verhandeln. Dann suchen wir die Süßigkeiten aus, die wir am meisten mögen. Der Rest geht an Omi.

Heute, längst erwachsen, fragen wir uns, ob sich im Labor wohl jemals irgendjemand gewundert hat, dass das Bonbon-Glas stets so reichlich gefüllt war?

* Omi ist inzwischen 93. Mit Altersdiabetes misst sie täglich mehrfach ihren Blutzuckerspiegel. Und hat daran sichtlich Vergnügen. "Wahrscheinlich, weil das mal mein Beruf war", sagt sie, wenn man sie fragt.
 

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