20.1.13

Die „Akte“ ist wieder da

Spitznamen sollen schmeicheln, einen zu langen Namen abkürzen oder beleidigen. Manchmal werden sie aber auch aus ganz anderen Gründen kreiert. So geschehen in einem Inkassobüro, in dem ich als Schülerin während der Sommerferien ein wenig Taschengeld dazu verdiene.

Wir sitzen im Dachgeschoss und arbeiten Akten für die Mikroverfilmung auf. Die Festangestellten arbeiten gemächlich vor sich hin und tauschen sich reichlich über Privates aus – wie so oft bei mäßig herausfordernden Tätigkeiten. Ab und zu schaut der Chef, der in der Etage unter uns arbeitet, nach dem Rechten.

Häufig höre ich, kurz bevor er seinen Kopf durch den Türrahmen steckt, eine der Kolleginnen rufen „Die Akte ist wieder da“ oder „Ich hab‘ die Akte wieder gefunden.“ Zunächst wundere ich mich, doch dann werde ich in das geheime Warnsystem eingeweiht: Bei der „Akte“ handelt es sich um den Chef höchstpersönlich.
 

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