1.8.16

Pipi in den Augen

Dem kleinen Jungen kullern dicke Tränen über die Wangen. Er kneift die Beine zusammen und drückt die Hände fest in den Schritt. Er muss dringend mal wohin. Doch im Nachbau der Adlers* ist weit und breit keine Toilette in Sicht.

"Ich muss aufs Klo", bringt der Junge unter Tränen hervor. Doch sein Opa ist hilflos. "Was soll ich denn machen?", fragt er seinen Enkel.
"Lassen Sie ihn doch einfach rauspinkeln", rate ich dem alten Mann. Denn ich kann den Druck gut nachvollziehen. Schließlich ist es mir als Kind mehr als einmal so ergangen wie dem kleinen Jungen.

Doch Opa traut sich nicht. Erst als die Tränen beide Wangen herunterkullern, bittet er die Leute am "Fenster"-Platz, den Jungen an die Abteilöffnung heran zu lassen.

"Das darf man doch nicht", stammelt der Junge. "Doch, gieß' die Blümchen!" fordert die Dame ihn auf. Und so ermutigt öffnet er seinen Hosenstall und erleichtert sich.

Erleichtert scheinen auch alle im Abteil zu sein, die ihn haben leiden sehen. Und wir alle wissen jetzt: So sieht es also aus, das sprichwörtliche "Pipi in den Augen".

* Der "Adler", die erste Dampflokomotive Deutschlands, war erstmals im Dezember 1835 zwischen Nürnberg und Fürth unterwegs. In den Sommermonaten fährt sie gelegentlich wieder. Die Tickets für die einstündige Fahrt in den drei offenen Wagen sind ruck, zuck ausverkauft.




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